Eine Frage der Menschenwürde
Der Verein Pharos kümmert sich in Bosnien um Roma-Familien
Von Knut Krohn
Auf den ersten Blick hat Sarajevo die Schrecken des Krieges
überstanden. Die Leute flanieren durch die Straßen und treffen sich
in schicken Cafés. Doch der Schein trügt. Viele Menschen schlagen
sich mehr schlecht als recht durchs Leben. Die Arbeitslosigkeit in
Bosnien sei hoch und der Lebensstandard niedrig, sagt Ingrid
Halbritter. „Doch am ganz unteren Ende der Gesellschaft leben die
Roma.“ Sie verdingen sich ihren Unterhalt als Tagelöhner oder durch
Bettelei. Der Verein Pharos, dessen Arbeit Ingrid Halbritter seit
vielen Jahren in Sarajevo leitet, hat sich zum Ziel gesetzt dieses
menschliche Leid zu lindern. Die Hilfe für die Roma setzt dabei ganz
unten an. „Viele von ihnen leben illegal in Bosnien“, erklärt
Halbritter. Doch das sei keine böse Absicht. Für die Roma sei es
fast unmöglich eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen.
„Häufig haben sie keine gültigen Ausweise, es fehlen wichtige
Dokumente und meist sind sie nicht mit ihren Lebenspartnern
verheiratet, eben weil die notwendigen Unterlagen fehlen“,
beschreibt die Pharos-Mitarbeiterin. Die Probleme beginnen damit,
dass sie nicht in der Lage sind, die Gebühren für die geforderten
Papiere zu bezahlen, oft können sie auch das nötige Einkommen und
keine Unterkunft nachweisen. Halbritter: „Ganz kompliziert wird es,
wenn ein Elternteil etwa aus Mazedonien, dem Kosovo oder Serbien
stammt.“ Dann müsse mit Verwaltungen zweier Länder verhandelt werden.
Weil die Roma-Familien damit völlig überfordert sind, kümmert sich
Pharos nun verstärkt um solche Fälle und dokumentiert dies auf der
Internetseite www.pharos-web.de.
Fast 1000 Euro kostet es, die Menschen in solchen Fällen aus der
Illegalität zu holen, erklärt die Sozialarbeiterin, die am Montag in
Echterdingen um 19 Uhr im Philipp-Matthäus-Hahn-Gemeindehaus über
ihre Arbeit berichtet. Sie unterstreicht, dass die „Legalisierung“
der Roma-Familien in Bosnien nicht nur ein Schritt in Richtung
sozialer Absicherung ist, weil sie dann wenigstens Zugang zu der
kargen staatlichen Unterstützung hätten. „Es ist auch eine Frage der
Menschenwürde“, offiziell anerkannt zu sein, sagt sie.
Artikel vom 22.10.2012 © Stuttgarter Zeitung
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